2022 war ein Jahr der Wende an den Finanzmärkten, was sich unmittelbar auf die Vorsorgeeinrichtungen ausgewirkt hat. Erstmals seit 2001 und damit dem letzten Jahr der stabilen Verhältnisse seit Inkraftsetzung des BVG 1985 mit technischen Zinsen von vier Prozent und einem Umwandlungssatz von 7,2 Prozent für privatrechtliche wie öffentlich-rechtliche Kassen haben sich die ermittelten Zinsen wieder erhöht.
Während eines Zeitraums von über 20 Jahren war ein kontinuierlicher Rückgang des technischen Zinssatzes zu registrieren. 2021 wurden mit 1,46 für die privatrechtlichen und 1,72 Prozent für die öffentlich-rechtlichen Pensionskassen Tiefstwerte erreicht.
2022 wurden die Sätze bei den privatrechtlichen Kassen von durchschnittlich 1,46 auf 1,52 Prozent und bei den öffentlich-rechtlichen von 1,72 auf 1,75 Prozent erhöht.
Nominell gesehen handelt es sich um geringfügige Schritte, und doch waren sie bedeutsam mit Blick auf die Entwicklung an den Finanzmärkten. Man ist versucht, von einem historischen Moment zu sprechen, wenigstens im Rahmen der Historie der beruflichen Vorsorge.
Nebst der Ermittlung der Durchschnittswerte (siehe Abbildung E-1) ist auch die Verteilung für die beiden in diesem Zusammenhang relevanten Bereiche (privat- und öffentlich-rechtlich) von Interesse.
Die privatrechtlichen Kassen weisen eine Häufung ihrer Angaben im Bereich zwischen 1,5 und 1,75 Prozent auf, welchen 38 Prozent der teilnehmenden Kassen angegeben haben. Diese Zahl ist gegenüber dem Vorjahr unverändert geblieben. Eine Zunahme des Anteils ist zu registrieren im Bereich 1,75 bis zwei Prozent mit 16 (Vorjahr 13 Prozent) und bei Angaben für 2,25 und höher mit sieben (fünf) Prozent.
Grössere Verschiebungen stellen wir bei den öffentlich-rechtlichen Kassen fest. Der Anteil der Angaben mit unter 1,5 Prozent ist von 15 auf 18 Prozent gestiegen, verringert hat sich der Anteil jener zwischen 1,5 und 1,75 Prozent (23 gegenüber 33 Prozent). Eine deutliche Zunahme ist hingegen festzustellen bei den Angaben zwischen zwei und 2,25 Prozent, die für die öffentlichen Kassen von 14 auf 27 Prozent stiegen.
Wie unterscheiden sich die technischen Zinssätze der beiden letzten Jahre nach Pensionskassenkategorien? Für alle Vorsorgeeinrichtungen beträgt der Anstieg 0,05 Prozentpunkte, in dieser Grössenkategorie liegen auch die Differenzen bei den einzelnen Kategorien (private Kassen 0,05, öffentliche Kassen 0,10, private Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen (SGE) 0,09 Prozentpunkte) mit Ausnahme der öffentlichen SGE, wo wir entgegen dem Trend eine Reduktion um 0,05 Prozentpunkte feststellen.
Die Entwicklung des technischen Zinses bei den Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen privater Arbeitgeber verlief mit einer steten, langjährigen Senkung und der Trendwende im Jahr 2022.
Es handelt sich um eine Minderheit von 15 Prozent aller an der Umfrage teilnehmenden Kassen, welche 2022 ihre technischen Zinsen erhöht und damit die Wende bei diesem wichtigen Element der Vorsorgemechanik der 2. Säule eingeläutet hat. Weitere fünf Prozent haben gemäss dem langjährigen Trend die Zinsen gesenkt; mit 80 Prozent Anteil hat die grosse Mehrheit hingegen ihre Sätze unverändert gelassen. Damit die erwähnten 15 Prozent den Trend zu kehren vermochten, waren jeweils markante Erhöhungen notwendig. Sie liegen im Durchschnitt bei 0,6 Prozentpunkten.
20 Prozent der Kassen melden eine Änderung ihres technischen Zinssatzes (s. Abbildung E-5). Nach den Gründen befragt, geben knapp drei Viertel das (erhöhte) Zinsniveau an. Zehn Prozent erwarten eine verbesserte Rendite auf ihren Anlagen, drei Prozent beziehen sich auf die Deckungsgradsituation. Zum letzterwähnten Grund ist anzufügen, dass die Erhöhung des technischen Zinssatzes um 0,5 Prozentpunkte zu einer Verbesserung des Deckungsgrads um durchschnittlich vier Prozentpunkte führt. Allerdings sollte dieser Effekt unseres Erachtens nicht ausschlaggebend für die Anpassung des technischen Zinses sein.
Obwohl praktisch alle Vorsorgeeinrichtungen 2022 negative Renditen erzielten, wurden dennoch die Altersguthaben mit teilweise überraschend hohen Sätzen verzinst.
Wir führen das auf zwei Faktoren zurück: Die Sätze wurden festgelegt, bevor der Einbruch erkennbar wurde, und die Kassen sind um eine gewisse Verstetigung der Verzinsung bemüht. Dies scheint vor allem bei den Kassen der öffentlichen Arbeitgeber zuzutreffen. Allerdings sind die gemachten Angaben mit fünf bis acht Prozent nicht leicht nachvollziehbar und müssen von Kassen stammen, die weiterhin über hohe Wertschwankungsreserven verfügen.
Der vom Bundesrat verordnete Mindestzins beträgt ein Prozent. Die grösste Häufung befindet sich bei allen Arbeitgeberkategorien im Bereich von einem Prozent mit einem Anteil bei den privaten Arbeitgebern (Fimen-PK) von 42 Prozent, bei den öffentlichen mit 46 Prozent, den Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen (SGE) privater Arbeitgeber mit 36 und den öffentlichen mit 33 Prozent.
Die Durchschnittszahlen betragen für die privaten Arbeitgeber 1,94 Prozent, für die öffentlichen 1,58 Prozent, für die SGE privater Arbeitgeber 1,80 und für jene öffentlicher Arbeitgeber 1,46 Prozent.
Die Abbildung zeigt den markanten Rückgang der Verzinsung bei den Vorsorgeeinrichtungen aller Arbeitgeberkategorien zwischen 2021 und 2022. Für die Gesamtheit aller Kassen ergibt sich eine Verminderung von 4,3 auf 1,9 Prozent, wobei die Differenz am stärksten bei den Pensionskassen privater Arbeitgeber mit 2,7 Prozentpunkten ausgefallen ist. Am geringsten ist sie bei den öffentlichen Arbeitgebern mit lediglich 1,2 Prozentpunkten.
Bei der Entwicklung der Verzinsung über die letzten zehn Jahre sticht das Jahr 2021 bei allen Kassenkategorien mit einem Rekordwert heraus. Besonders bemerkenswert sind die 4,5 Prozent bei den privatrechtlichen Kassen. Der jeweils geltende BVG-Mindestzinssatz wurde mit einer Ausnahme 2015 nicht nur erreicht, sondern teilweise massiv übertroffen. Es will uns scheinen, dass das jährlich durchgeführte Ritual der Mindestzinsfestlegung durch den Bundesrat schadlos aufgegeben werden könnte.
In Abbildung E-10 werden über die letzten fünf Jahre die Performance, die Verzinsung der Aktiven und jene der Rentnerguthaben in Zahlen für die Gesamtheit der Vorsorgeeinrichtungen einander gegenübergestellt. Die grössten Schwankungen von Jahr zu Jahr sind naturgemäss bei der Performance festzustellen. Deutlich geringer sind die Schwankungen bei der Verzinsung der Altersguthaben der Aktiven und aufgrund der Leistungsgarantie sind sie bei den Rentnern am geringsten. Deren Verzinsung ist weitgehend abgekoppelt von den jährlichen Performanceschwankungen und die Senkung der letzten Jahre ist bedingt durch die laufende Verringerung der technischen Zinsen.