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Einleitung zu den Umfrageresultaten der Schweizer Pensionskassenstudie 2023

Trotz Verlusten stabile Verhältnisse

Vor einem Jahr haben wir die Überschrift zu dieser Einleitung mit einem Fragezeichen versehen. «An einem Wendepunkt?», haben wir uns gefragt. Heute könnten wir den gleichen Titel ohne Fragezeichen setzen. Denn in der Tat darf mit der herrschenden Inflation, dem Ende der Negativzinsen und den daraus folgenden Wirkungen auf die massgebenden technischen Parameter und die Vermögensanlagen von einem Wendepunkt für die berufliche Vorsorge gesprochen werden, auch wenn die Folgen teilweise noch wenig ausgeprägt und nicht überall spürbar sind.

Erkennbar ist die Trendwende bei den technischen Zinsen, welche erstmals wieder eine – wenn auch nur leichte – Zunahme verzeichnen, und zwar sowohl bei den privat- wie den öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen. Das ist insbesondere in langfristiger Optik bemerkenswert. Nach der Inkraftsetzung des BVG 1985 galt für rund 20 Jahre ein Satz von vier  Prozent als Standard. Dieser ging fast linear bis auf den Extremwert Ende 2021 auf 1,5 Prozent für die privatrechtlichen und 1,7 Prozent für die öffentlich-rechtlichen zurück.

Wenn auch die für die Umfrage ermittelten Zunahmen minim erscheinen mögen, so haben sie doch mehr als symbolischen Wert. Es braucht keine prophetischen Gaben, um weitere Erhöhungen vorauszusehen. Senkungen können für die absehbare Zukunft ausgeschlossen werden. Die international hohe Teuerung, die in etwas moderaterer Form auch die Schweiz erfasst hat, verlangt eine restriktive Geldpolitik mit entsprechenden Folgen für die Kapitalmärkte.

Eine nähere Betrachtung der Entwicklung der technischen Zinssätze zeigt interessante Details. Gemäss den ermittelten Daten sind es lediglich 15 Prozent der Kassen, welche letztes Jahr eine Erhöhung vornahmen, fünf Prozent nahmen sogar nochmals eine Senkung vor, die restlichen liessen den Satz unverändert. Wer allerdings eine Erhöhung vornahm, tat dies in einem relativ starken Mass. Die durchschnittliche Erhöhung beträgt 0,6 Prozentpunkte.

Ein für die Vorsorgeeinrichtungen durchaus willkommener Effekt der Erhöhung des technischen Zinssatzes bildet die damit ausgelöste Verstärkung des Deckungsgrads aufgrund der verringerten Barwerte der Leistungsverpflichtungen. Es ist schwer abzuschätzen, inwieweit dieser Zusammenhang die Entscheide der betreffenden Kassen beeinflusst hat. Nach den Gründen gefragt, verwies die grosse Mehrheit (rund drei Viertel) auf das veränderte Zinsniveau.

Von dieser Wende noch nicht erfasst wurden die Umwandlungssätze, welche im Berichtsjahr den ebenfalls seit 20 Jahren andauernden Trend laufender Senkungen nochmals fortsetzten auf den neusten, durchschnittlichen Tiefstwert für Männer von 5,4 Prozent. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll der Mindestumwandlungssatz gemäss der BVG-Revision 21 von heute 6,8 auf sechs Prozent gesenkt werden. Das letzte Wort werden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben, sofern das laufende Referendum zustande kommt.

Kapitalanlagen und Deckungsgrad

Neben der Entwicklung der technischen Grundlagen bilden die Minusrenditen das zweite herausragende Ereignis des Berichtsjahrs. Der Krieg in der Ukraine, die massive Erhöhung der Rohstoffpreise, die Inflation und die Neuorientierung der Geldpolitik der Zentralbanken führten zu unerwartet starken Einbrüchen auf den Kapitalmärkten.

Die Einbussen für die Vorsorgeeinrichtungen fielen deshalb so stark aus, weil Aktien und Obligationen gleichermassen Kursverluste erlitten, was sich aufgrund der verlangten Marktwertbewertung kumulierte. Die ermittelten – 8,8 Prozent als Durchschnitt aller Kassenkategorien sind das zweitschlechteste Ergebnis seit 1985 und wurden nur 2008 bei der Finanzkrise mit – 12,6 Prozent übertroffen. Anders als vor 15 Jahren gerieten nun aber relativ wenige Kassen in Unterdeckung. Bei den Kassen privater Arbeitgeber sind es 1,7 Prozent, bei den vollkapitalisierten Kassen öffentlicher Arbeitgeber 15,4 Prozent. Die Angaben bezüglich der Deckungsgrade bewegen sich bei den Kassen in Unterdeckung überwiegend im Bereich von 95 bis 100 Prozent, was nach gängiger Einschätzung als geringfügige Unterdeckung gilt. Es darf angenommen werden, dass bis zur Drucklegung dieser Studie die Zahl der Unterdeckungen zurückgegangen ist. Sanierungsmassnahmen plant nur ein Prozent der Umfrageteilnehmer. Inwieweit die genannten Erhöhungen der technischen Zinsen hier das Bild aufgebessert haben, ist schwer abzuschätzen.

Dass die erlittenen Verluste des vergangenen Anlagejahres für die Pensionskassen keine drastischen Konsequenzen hatten, ist den rekordhohen Deckungsgraden per Ende 2021 zu verdanken. Das auf Stabilität und Sicherheit ausgerichtete Investitionsverhalten der Kassen hat sich ein weiteres Mal bewährt. Die immer wieder zu hörenden kritischen Stimmen, welche ihnen ein übertriebenes Sicherheitsbedürfnis vorwerfen, wurden widerlegt.

Vermögensgewichtet weisen die teilnehmenden vollkapitalisierten Kassen per Ende 2022 eine durchschnittliche Deckung von 108 (Vorjahr 120) Prozent auf. Die notwendigen Wertschwankungsreserven (rund 15 Prozent des Anlagevermögens) sind damit nur etwa zur Hälfte vorhanden, doch ist trotz der beträchtlichen Verluste immer noch ein ansehnliches Polster vorhanden. Das trifft insbesondere auf die 32 Prozent der Kassen privater Arbeitgeber zu, welche noch immer Deckungsgrade von 115 Prozent und höher melden. Auf Seite der öffentlichen Arbeitgeber sind es 17 Prozent. Und 27 Prozent aller Kassen verfügen über mindestens 75 Prozent ihrer Zielgrösse für Wertschwankungsreserven. Das sind – nach dem schwierigen 2022 – erfreuliche Zahlen.

Bestimmungsfaktoren der Performance

Wie anforderungsreich das Berichtsjahr gewesen ist, zeigen die Angaben zur erzielten Perfor­mance. In weitgehender Übereinstimmung mit diversen Indizes und Erhebungen ergab sich in der Umfrage ein Mittelwert von – 8,8 Prozent. Welche Faktoren waren 2022 für das Ergebnis entscheidend? Ausschlaggebend war die Asset-Allokation. Mit den Verlusten sowohl bei Aktien wie Obligationen schnitten Kassen mit einem ­relativ geringen Anteil an Wertschriften, dafür mit einem hohen Bestand an Immobilien sowie alternativen Anlagen besser ab. Für einmal und im Gegensatz zu früheren Jahren reduzierte auch ein hoher Bestand an Liquidität die Verluste. Und anders als in den Jahren 2019 bis 2021 erzielten die Vorsorgeeinrichtungen mit aktiv verwalteten Anlagen von mehr als 30 Prozent des Vermögens ein besseres Resultat als jene mit einem geringeren Anteil.

Stabile Leistungen

Die Umfrage bringt auf aktuellem Stand wiederum eine Vielzahl an Einsichten in die Struktur der Vorsorgeeinrichtungen und deren Entwicklung über die letzten Jahre. Eine seit 2018 zu beobachtende Entwicklung im wichtigen Bereich der Leistungen hat sich erneut bestätigt: Das Leistungsziel – bestehend aus 1. und 2. Säule – hat sich stabilisiert. Ermittelt wurden die Daten auf Basis eines AHV-pflichtigen Lohns von 80'000 Franken. Das Ziel liegt gegenüber dem Vorjahr unverändert bei 70 Prozent und damit ein Prozentpunkt über dem Wert von 2018. Dieser Wert übertrifft deutlich das informelle Leistungsziel von 60 Prozent, das der Altersvorsorge zugrunde liegt. Und es ist zu verstehen vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren weiter gesunkenen Umwandlungssätze.

Eintrittsschwelle und Koordinationsabzug

Mit Blick auf die vom Parlament abgeschlossene BVG-Revision 21 sind die Formen und Höhen der eingesetzten Eintrittsschwellen von besonderem Interesse. Bekanntlich sieht der Gesetzgeber vor, die Schwelle von aktuell 22’050 um zehn  Prozent auf höchstens 19’845 Franken zu senken. Damit soll – zusammen mit dem neu festgelegten Koordinationsabzug – einem stark erweiterten Kreis von Bezügern geringer Einkommen sowie Teil- und Mehrfachbeschäftigten die obligatorische 2. Säule geöffnet werden. Die erhobenen Daten lassen erkennen, dass nur 72 Prozent der Kassen den vorgeschriebenen, fixen Satz anwenden, 16 Prozent verwenden einen tieferen Satz und zwölf Prozent haben die Eintrittsschwelle ganz aus ihren Reglementen gestrichen.

Vergleichbare Erkenntnisse ergeben sich aus den Angaben zum Koordinationsabzug. Statt den heute vorgeschriebenen max. 25’725 Franken soll künftig ein relativer Satz von 20 Prozent bis zum oberen Grenzbetrag von 88’200 Franken gelten. In noch grösserem Masse als bei der Eintrittsschwelle nützen die Vorsorgeeinrichtungen hier im Interesse der Destinatäre ihren Gestaltungsfreiraum. Lediglich zwölf Prozent kennen noch den Abzug in der gesetzlichen Form. Alle übrigen Kassen nehmen entweder variable Abzüge in unterschiedlicher Ausgestaltung vor oder verzichten ganz darauf. 21 Prozent weisen einen mit dem Beschäftigungsgrad gewichteten Koordinationsabzug auf, 41 Prozent einen variablen Satz nach Einkommen und 26 Prozent haben ihn ganz aufgegeben.

Abschliessend kann zu den Umfrageresultaten festgestellt werden, dass sich die Kassen in einem höchst volatilen Umfeld bemerkenswert gut geschlagen haben. Trotz eines äusserst schwierigen Anlagejahrs bilden Sanierungsmassnahmen seltene Ausnahmen, die garantierten Leistungen werden problemlos ausgerichtet. Die Kassen haben – wie schon in der Vergangenheit – ihre «Hausaufgaben» gemacht und sie sind in der grossen Mehrheit für die absehbaren Herausforderungen so gut gerüstet, wie man es angesichts der vielen Unbekannten in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sein kann.

Umfrage und Teilnehmer

Tabelle 1: Die Umfrageteilnehmer und ihre Zusammensetzung 2023

Pensionskassen

Sammel-Gemeinschafts- einrichtungen (SGE)

Total*

Stifter der Vorsorgeeinrichtung

Privat-rechtliche Firma

Öffentlich- rechtliche Institution

Privat- rechtliche Firma

Öffentlich-rechtliche Institution

Anzahl Vorsorgeeinrichtungen

333

32

81

26

472

Vorsorgevermögen Mrd.

299

123

189

126

738

Durchschnittliche Anzahl angeschlossener Arbeitgeber

24

41

3063

87

576

Aktive Versicherte in Tsd.

680

324

1717

321

3042

Anzahl Rentner in Tsd.

333

155

285

165

938

Total Versicherte in Tsd.

1013

478

2002

486

3981

Vorsorgekapital Aktive

53%

42%

66%

48%

54%

– davon Altersguthaben BVG

43%

40%

50%

42%

44%

Vorsorgekapital Rentenbezüger

47%

58%

34%

52%

46%

* inkl. Vorsorgeeinrichtungen ohne Angabe des Stifters

An der Umfrage 2023 haben 472 (Vorjahr 475) Vorsorgeeinrichtungen mit rund 4,0 (3,8) Millionen Destinatären (aktiv Versicherte und Rentner) teilgenommen. Die Zahl der damit abgedeckten aktiv Versicherten ist gestiegen (auf 3,0 von 2,8 Millionen), jene der Rentner hingegen zurückgegangen. Die Kursverluste machen sich beim erfassten Vorsorgevermögen deutlich bemerkbar; es ging von 806 auf 738 Milliarden Franken zurück.

Vor allem für den Bereich der mittleren und grossen Kassen darf die Umfrage eine hohe Repräsentativität ihrer Resultate beanspruchen.

Die praktisch unveränderte Zahl der Versicherten trotz einer geringeren Teilnehmerzahl lässt erkennen, dass es vorwiegend kleinere Einrichtungen sind, welche sich dieses Jahr in geringerem Mass beteiligt haben.

Die neuste Ausgabe der BFS Pensionskassenstatistik für 2021 weist 4,5 Millionen aktiv Versicherte und 1,2 Millionen Rentenbezüger/-innen aus. Die Bilanzsumme der gesamthaft 1’389 Vorsorgeeinrichtungen beträgt 1’159 Milliarden Franken.