Welche Leistungen Kassen erbringen
Die Finanzierungssituation der Pensionskassen ist Ende 2021 so komfortabel wie schon lange nicht mehr. Die gute Performance der Finanzmärkte im Jahr 2021 erlaubte es, die Wertschwankungsreserven bis zur Zielgrösse aufzufüllen. Die freien Mittel wurden für Leistungsverbesserungen genutzt.
Die Deckungsgrade der Pensionskassen haben Ende 2021 ein Rekordhoch erreicht. Die privatrechtlichen Kassen steigerten den vermögensgewichteten Durchschnittswert im Vergleich zum Vorjahr um beachtliche 6 Prozentpunkte und erzielten im Schnitt einen Deckungsgrad von 122,1 Prozent. Das ist der höchste Wert, seit Swisscanto die Pensionskassenstudie im Jahr 2000 erstmals durchgeführt hat.
Die Pensionskassen haben die Belastungen überwunden, welche die wiederholten Krisen der Vergangenheit hervorgerufen hatten. Nach den Unterdeckungen infolge der Finanzkrise von 2008 bewegte sich der durchschnittliche Deckungsgrad der privatrechtlichen Kassen lange auf einem Niveau um 110 Prozent. Ab 2018 setzte eine rasche Erholung ein: Der Deckungsgrad der Kassen von privaten Arbeitgebern nahm seither um über 13 Prozentpunkte zu – trotz gleichzeitig vorgenommener Senkung des technischen Zinssatzes.
Ermöglicht hat diese rasche Erholung die wiederholt gute Performance der Finanzmärkte. 2021 war nach 2019 das zweitbeste Börsenjahr der letzten zehn Jahre. Die hohen Erträge ermöglichten es, die Reserven aufzufüllen – ein Vorhaben, dem die Kassen in den letzten zwei Jahrzehnten stets etwas hinterherhinkten.
Die grosse Mehrheit der Pensionskassen hat ihre Zielgrösse für die Wertschwankungsreserven 2021 erreicht. Dies ist umso erfreulicher, als die Stiftungsräte die Vorgabe kontinuierlich nach oben angepasst haben: Lag der Durchschnittswert für die privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen 2012 noch bei 15,9 Prozent, erhöhte sich die durchschnittliche Zielgrösse seither auf 18,5 Prozent.
Die jüngsten Kurskorrekturen an den Finanzmärkten zeigten denn auch, wie rasch diese Reserven wieder dahinschmelzen können. Im 1. Quartal 2022 registrierte der Pensionskassen-Monitor von Swisscanto eine geschätzte Gesamtrendite von –3,5 Prozent. Dadurch hat sich der vermögensgewichtete Deckungsgrad der privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen auf 117,3 Prozent verringert und liegt damit bereits wieder etwas unter der durchschnittlichen Zielgrösse.
Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen dürfen erst dann Leistungsverbesserungen vorsehen, wenn ihre Wertschwankungsreserven zu mindestens 75 Prozent geäufnet sind. Die grosse Mehrheit verfügte 2021 wieder über freie Mittel für eine höhere Verzinsung: Bei den Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen privater Arbeitgeber haben 86 Prozent das gesetzliche Minimum von 75 Prozent erreicht; im Vorjahr waren dies noch lediglich 56 Prozent.
Auch die meisten eigenständigen Pensionskassen hatten Spielraum für Leistungsverbesserungen. Die Versicherten profitierten von der höchsten Verzinsung der letzten zwanzig Jahre. Der Zinssatz lag im Schnitt bei 4,25 Prozent, doch manche Kassen verzinsten deutlich höher: Versicherte bei 14 Prozent der Kassen privater Arbeitgeber erhielten eine Verzinsung von mindestens 8 Prozent. Dabei hat die Umverteilung gedreht – die aktiven Versicherten wurden gegenüber den Rentnerinnen und Rentnern kaum mehr benachteiligt und auch die Pensionierungsverluste konnten weiter reduziert werden.
Mit den soliden Reserven sind die Pensionskassen gut aufgestellt, um ihre Leistungsversprechen nachhaltig zu erfüllen. Eine zentrale Entscheidungsgrundlage für die langfristige Bewertung der Verpflichtungen der Vorsorgeeinrichtungen ist die empfohlene Obergrenze für den technischen Zins gemäss Fachrichtlinie FRP 4 der Schweizerischen Kammer der Pensionskassen-Experten. Die Trendwende in der Zinspolitik der Notenbanken hat den langanhaltenden Sinkflug gestoppt: Die Obergrenze wurde 2021 nach oben korrigiert und für 2022 zeichnet sich eine weitere Erhöhung ab. Grund dafür sind die steigenden Renditen bei 10-jährigen Bundesobligationen. Bei den tatsächlich verwendeten technischen Zinssätzen der einzelnen Kassen zeigt sich bereits eine Verlangsamung des Abwärtstrends der letzten Jahre. Die Vorsorgeeinrichtungen bewerten ihre Vorsorgeverpflichtungen also realistisch.
Weiterhin im Sinkflug befindet sich hingegen der Umwandlungssatz. Hier ist vorerst keine Trendwende in Sicht: 2022 liegt der Umwandlungssatz bei Männern mit Rücktrittsalter 65 bei 5,43 Prozent und bis 2026 rechnen die befragten Vorsorgeeinrichtungen mit weiteren Senkungen auf 5,25 Prozent. Die von der BVG-Reform beabsichtigte Reduktion des Umwandlungssatzes im obligatorischen Bereich von 6,8 auf 6 Prozent ist somit nicht mehr als eine notwendige Annäherung an die Realität.
Die BVG-Reform des Bundesrats sieht keine Senkung der Eintrittsschwelle für die obligatorische Versicherung vor. Nationalrat und Ständeratskommission sehen jedoch eine tiefere Eintrittsschwelle vor. Aktuell sind Teilzeitarbeitende und insbesondere Erwerbstätige mit mehreren Arbeitgebern im Nachteil, falls sie die Schwelle von aktuell 21’510 Franken nicht erreichen. Ein Viertel der Vorsorgeeinrichtungen nimmt die Reformbestrebungen vorweg und hat die Hürde bereits von sich aus tiefer angesetzt oder variabel angelegt.
Im Rahmen der BVG-Reform wird auch die Reduktion des Koordinationsabzugs diskutiert. Hier wirken die Pensionskassen der Benachteiligung von Teilzeitarbeitenden noch stärker entgegen: Bereits 86 Prozent der Vorsorgeeinrichtungen haben vom Beschäftigungsgrad oder vom Lohn abhängige Koordinationsabzugsmodelle oder berechnen keinen Koordinationsabzug. Fixe, nicht mit dem Beschäftigungsgrad gewichtete Koordinationsabzugsmodelle setzt nur noch eine Minderheit ein. Das zeigt: Viele Pensionskassen sind der Reform bereits einen Schritt voraus.
Die erstmalige Befragung zur Zusammensetzung und Arbeit der Stiftungsräte zeigt, dass nur gerade 22 Prozent der Stiftungsräte Frauen sind – bei einem Anteil von 43 Prozent der versicherten Personen. Im Schnitt bestehen die Stiftungsräte aus acht stimmberechtigten Mitgliedern, externe Stiftungsräte bilden die Ausnahme. Hingegen verfügen rund 80 Prozent der Kassen über einen Anlageausschuss, bei den grösseren Kassen sind es nahezu alle Kassen.