Welche Leistungen Kassen erbringen
Die stabile Situation der Pensionskassen macht wieder Hoffnung auf Leistungsverbesserungen. Dabei zeichnet sich ein Wandel ab: Anstatt sich langfristig zu verpflichten, setzen die Kassen vermehrt auf flexible Auszahlungsmodelle.
In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Rahmenbedingungen für die Pensionskassen fundamental verändert: Das Tiefzinsumfeld hat zwar die Kurse in die Höhe getrieben und akzeptable Renditen ermöglicht. Gleichzeitig wurden Neu- und Höherbewertungen auf der Passivseite nötig, so dass am Ende keine Mittel für Leistungsverbesserungen übrigblieben. Nach der Zinswende von 2022 drückten wiederholt Turbulenzen an den Börsen auf die Performance.
Trotz dieser widrigen Umstände haben die Pensionskassen ihre Hausaufgaben gemacht. Die Umverteilung von den Aktivversicherten zu den Rentnergenerationen scheint ein Ende zu finden. Damit wird das Kapitaldeckungsverfahren seinem Grundsatz wieder gerecht. Die 2. Säule ist stabil.
Wie resilient die Pensionskassen sind, zeigt die jüngste Entwicklung bei den Deckungsgraden: Im schlechten Börsenjahr 2022 waren diese massiv eingebrochen – bei den privatrechtlichen Kassen von 122,1 auf 110,1 Prozent. Dieser herbe Rückschlag ist inzwischen jedoch bereits überwunden: 2023 legte der Deckungsgrad der privatrechtlichen Pensionskassen auf 113,5 Prozent zu. Damit verfügt die grosse Mehrheit weiterhin über eine solide Deckung.
Im ersten Quartal 2024 dürfte der Deckungsgrad der privatrechtlichen Kassen bei 119,6 Prozent liegen, wie der Swisscanto Pensionskassen-Monitor zeigt. Das Allzeithoch von 2021 ist somit bereits wieder in Griffweite. Die Vorsorgewerke sind für künftige Krisen also gut gewappnet.
Die stabile Situation nährt die Hoffnung, dass die Umwandlungssatzsenkungen der vergangenen Jahre ein Ende nehmen. Die Talsohle scheint nun erreicht, wie die Prognosen der Kassen für die nächsten fünf Jahre zeigen: Der durchschnittliche Umwandlungssatz dürfte sich bis 2029 bei rund 5,2 Prozent einpendeln.
Das könnte auf Leistungsverbesserungen hindeuten. Unsere Befragung bestätigt dies: 14 Prozent der Kassen rechnen 2024 mit Leistungsverbesserungen. In der letztjährigen Umfrage waren es lediglich 11 Prozent.
Nun wäre zu erwarten, dass die Kassen den Umwandlungssatz vermehrt wieder anheben – wenn doch genügend Spielraum für Leistungsverbesserungen vorhanden ist. Dies bleibt jedoch die Ausnahme: Nur drei Kassen haben ihren Umwandlungssatz 2024 nach oben korrigiert. Die Mehrheit tastet diese Stellschraube nicht an.
Ein Blick auf die Ersatzquote zeigt: Langfristige Leistungsverbesserungen sind zurzeit auch nicht nötig. Das gesetzlich verankerte Leistungsziel verlangt, dass die 1. und 2. Säule im Rentenalter rund 60 Prozent des versicherten Lohns sicherstellen. Nachdem sich die Ersatzquote jahrelang im Sinkflug befand und der Beitrag der 2. Säule laufend kleiner wurde, scheint nun auch hier die Talsohle erreicht: Die Quote bei einem Lohn von 80’000 Franken hat sich mittlerweile bei 70 Prozent eingependelt.
Zurzeit besteht also wenig Handlungsbedarf, die Umwandlungssätze anzuheben. Das erwägen denn auch die wenigsten Kassen. Das langjährige Tiefzinsumfeld in Kombination mit der Volatilität der Finanzmärkte hat offensichtlich zu einem Umdenken geführt. In einem unsicheren Umfeld ist Flexibilität das höchste Gut. Die Bereitschaft der Kassen, über eine Erhöhung des Umwandlungssatzes auf Jahrzehnte hinaus höhere Renten lebenslänglich zu garantieren, nimmt ab. Stattdessen suchen die Vorsorgewerke nach Möglichkeiten, um flexibel auf die Märkte zu reagieren. Leistungsverbesserungen werden einmalig ausgerichtet. Alles deutet darauf hin, dass sich die Kassen immer weniger zu langfristigen Leistungsversprechen verpflichten möchten.
Die Kassen suchen Möglichkeiten, um flexibler auf die Märkte zu reagieren.
Ein Indiz für diesen Wandel sind flexible Rentenmodelle, die einzelne Kassen eingeführt haben. Sie bieten die Möglichkeit, Renditen an die Rentnergeneration im Guten wie im Bösen weiterzugeben. Nur ein Teil der Rente ist dabei garantiert – der Rest steht und fällt mit der Performance. Auch die Verzinsung der Guthaben der Versicherten sowie Einmalzahlungen an die Rentnerinnen und Rentner erlauben es ihnen, die Leistungen den Entwicklungen der Finanzmärkte anzupassen, ohne sich langfristig verpflichten zu müssen.
Der Trend hin zur flexiblen Leistungserbringung zeigt sich insbesondere bei den Auszahlungen an die Rentnergeneration: 61 Prozent der Pensionskassen, die 2024 mit Leistungsverbesserungen rechnen, wollen diese über Einmalzahlungen erbringen. Auf fixe Rentenerhöhungen setzen nur 39 Prozent.
Diese Veränderungen haben für die Versicherten unmittelbare Folgen: Durch die flexiblen Auszahlungsmodelle sind weniger Leistungen garantiert und ein Teil der Renten wird an die Entwicklung des Kapitalmarkts angepasst. Damit tragen die Versicherten die Risiken an den Finanzmärkten vermehrt mit – eine Entwicklung, die noch zu Diskussionen führen dürfte.
Wie können die Kassen bei einmaligen Leistungsverbesserungen eine faire Verteilung zwischen Aktivversicherten und Rentnerinnen und Rentnern sicherstellen? Und wie gewährleisten sie, dass die Versicherten nicht nur die Risiken der Finanzmärkte mittragen, sondern auch von deren Chancen profitieren? Diese Fragen dürften nach der Abstimmung zur BVG-Reform vermehrt in den Vordergrund rücken.
Mit Blick auf die Massnahmen der Reform ist der Handlungsbedarf bei den meisten Kassen gering: Die grosse Mehrheit der Kassen handhabt den Koordinationsabzug schon heute variabel, gewichten ihn nach Beschäftigungsgrad oder hat diesen gar ganz abgeschafft – ein Spiegel der sich verändernden Erwerbsbiografien. Die BVG-Eintrittsschwelle haben hingegen erst rund 30 Prozent angetastet.
Die geplante Senkung des BVG-Mindestumwandlungssatzes von 6,8 auf 6,0 Prozent betrifft nur einen kleinen Teil der Versicherten: Lediglich bei 13 Prozent der Pensionskassen hätte diese Massnahme eine Senkung der Renten bei Neurentnerinnen und -rentnern zur Folge. Dieser Fakt dürfte im Abstimmungskampf von Bedeutung sein.
Gewähren Sie für das Jahr 2024 Leistungsverbesserungen im Sinne von Art. 36 Abs. 2 BVG?